Europäisches Theater der Poesie

Głosy poetów/Stimmen der Dichter:

Alltag und Wahnsinn“ in einem deutsch-polnischen Dichterdialog

 

Aus dem Zyklus Multimediales Poesietheater

 

Künstlerische Leitung: Jacek Telus


Heute Abend werden wir alltägliche Situationen sezieren um ihren wahnsinnigen Kern zum Vorschein bringen zu lassen. Ein Gespräch am Tisch, ein Spaziergang im Park, ein Liebesspiel, ein Kartenspiel, ein Zirkusbesuch, ein Opernbesuch, eine Anbetung, ein Gebet, eine Bitte ‒ alles alltägliche Momente, deren routinemäßige Abläufe uns darin bestätigen, dass die Dinge den üblichen Weg gehen und die Welt in Ordnung ist. Und doch: Der Wahnsinn ‒ eine Antinomie zur Norm, ein anscheinend außergewöhnlicher Zustand, eine Ausnahme ‒ stellt sich als eine allgegenwärtige, den alltäglichen Dingen zwingend innewohnende Komponente heraus. Die Dichter aller Länder und Zeiten haben auf diesen Umstand immer wieder aufmerksam gemacht. Glauben Sie ihnen, denn Dichter sind weise Menschen und ihre naiven Fragen machen Sinn, indem sie den Wahnsinn aus der beruhigenden Hülle des Alltags herausschälen.

 

 

Unser Abend beginnt mit der Vorstellung einiger polnischer Dichter des 20. Jahrhunderts durch die große Dame der Polnischen Poesie, die polnische „Dichterin der Liebe“, Mieczysława Buczkówna-Jastrun. Mieczysława kann heute Abend nicht bei uns sein, deshalb wird sie sich zum Leben und Schaffen der polnischen Dichter von der Leinwand äußern.



Wisława Szymborska

Immer wieder, und so auch im ersten Gedicht des Abends, überprüft Wisława Szymborska den existenziellen Status der sie umgebenden Dinge und Situationen. Aus dieser Prüfung ergeben sich drei für das Gesamtwerk der Nobelpreisträgerin grundlegende Beobachtungen:

 

  • Erstens: Alles, was passiert, passiert zufällig.

  • Zweitens: Der Zufallscharakter macht alles einmalig.

  • Drittens: Erstens und Zweitens gelten universell.

 

Zufällig, einmalig, universell“ lautet Szymborskas Antwort auf die für die gesamte europäische Lyrik grundlegende Frage nach dem Sinn des Seins.

 

Zustimmend schließt sich Buczkówna-Jastrun an aber mit einem entscheidenden Hinweis. Es ist die Liebe, die zwischenmenschliche Beziehung, die den Augenblick wie ein Flash bei einer Aufnahme aufleuchten lässt, ihn aus dem uniformen, universellen Lauf der Dinge hervorhebt und zu etwas besonderem macht.


Die polnischen Dichter

Władysław Broniewski (1897-1962), Dichter, Publizist, der wichtigste Vertreter der revolutionären Richtung in der polnischen Lyrik des 20 Jh. Soldat in den Legionen von Józef Piłsudski, nahm er teil am polnisch-russischen Krieg 1920. In der Zwischenkriegszeit bezog er zunehmend linke Positionen. Nach Einmarsch der Sowjetarmee nach Polen im September 1939 verhaftet, kämpfte er später mit der polnischen Armee von General Anders im Mittleren und Nahen Osten. Nach dem zweiten Weltkrieg engagierte sich Broniewski in den Wiederaufbau des Landes unter kommunistischer Führung. Broniewski gilt vor allem als Autor politischer Dichtung, wobei er insbesondere an die Tradition der polnischen Romantik anknüpfte. Jedoch schrieb er auch zahlreiche persönliche Gedichte, z. B. den Gedichtband Anka (1956) nach dem tragischen Tod seiner Tochter.


Mieczysław Jastrun (1903-1983), Dichter, Philosoph, Autor von literaturhistorischen Abhandlungen, Übersetzer französischer, russischer und deutscher Dichtung. Jastruns Schaffen stellt eine Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Rolle des Dichters dar, wobei er stets um einen breiten historischen und philosophischen Kontext bemüht ist. Dieser erlaubt ihm beispielsweise eine Distanzierung zu den Usurpationen des Sozrealismus. Seine Dichtung hat ihre Wurzeln in der Klassik, verstanden als die Gesamtheit der humanistischen Erfahrung des abendländischen Kulturkreises.


Konstanty Ildefons Gałczyński (1905-1953), Dichter, Satiriker, König der Metaphern, Übersetzer der russischen, spanischen, deutschen und englischen Literatur, Vorreiter der Postmoderne. Die Zeit des Zweiten Weltkrieges verbrachte er im Kriegsgefangenenlager, danach besuchte er Frankreich und Belgien. 1946 erschienen seine Gedichtsammlungen in Rom und Hannover. Sein unverwechselbarer Stil zeichnet sich aus durch die Verbindung von reinster, intimster Lyrik mit Galgenhumor, auch durch gleichzeitige Anleihen bei der Weltliteratur und Volkslied bzw. Jahrmarktliteratur. Gałczyński stilisiert sich zunächst als Gaukler und Schalk, später reflektiert er jenseits der gewohnten Ironie über die Arbeit des Künstlers zum Wohle der Menschheit.


Czesław Miłosz (1911-2004), erhielt 1980 den Nobelpreis für Literatur. Er entstammte alteingesessenem polnischem Landadel, studierte in Wilna, im Zweiten Weltkrieg war er im Untergrund tätig. Nach 1945 im diplomatischen Dienst, nutzte er seine Position zur Flucht aus dem kommunistischen Polen. Er arbeitete in Frankreich und den USA, dort seit 1961 als Professor für slawische Literatur an der University of California in Berkeley. 1970 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft. Nach der Wende kehrte er im Jahr 2000 nach Krakau zurück. Miłosz schrieb fast ausschließlich auf Polnisch, jedoch wurden viele seine Werke ins Englische und in viele weitere Sprachen übersetzt. Unerbittlicher Kommunismuskritiker und im kommunistischen Polen bis 1980 verschwiegen, gilt er oft als der größte polnische Dichter des 20. Jahrhunderts. Miłosz’ Poetik zeichnet sich durch eine Infragestellung der Mythen der polnischen Romantik und eine Hinwendung zu einer klaren Sprache mit einigen wenigen ausdrucksstarken klassizistischen Symbolen. Die Bewältigung der großen Diktaturen des 20. Jh. stellt ein wichtiges Thema seines Schaffens dar, ebenso präsent sind darin die Erinnerungen an den ehemals polnischen Osten.


Wisława Szymborska (1923–2012), erhielt 1996 den Nobelpreis für Literatur. Sie lebte überwiegend in Krakau und hatte Literatur und Soziologie studiert. Sie war Mitglied der PVAP, distanzierte sich aber später vom Sozialismus und engagierte im oppositionellen Untergrund. Neben Veröffentlichungen von Gedichtbänden, die in zahlreichen Ländern erschienen, hat sie französische Dichtung ins Polnische übersetzt. Marcel Reich-Ranicki sagte über Wisława Szymborska, sie zeichne sich in ihrer Dichtung durch formale Poesie aus und ihre auffallende, hintersinnige Klarheit – und schließlich durch ihre unver­wechselbare Diktion. Die großen Themen der Dichtungen Szymborskas sind der Zufall, der biologische Zerfall und die biologische Verbundenheit des Menschen mit dem Kosmos der Natur.

 

 


Mieczysława Buczkówna-Jastrun (geb. 1924), die polnische „Dichterin der Liebe“, und eine konsequente Vertreterin einer „weiblichen Perspektive“. Teilnehmerin des Warschauer Aufstandes 1944, studierte sie nach dem Krieg Polonistik in Łódź. 1965-70 war sie Redakteurin der einflussreichen Literaturzeitschrift “Poezja“. In ihren Gedichten vermischen sich Alltagsbeobachtungen mit Lesarten, die unerwartete Mehrdeutigkeiten einfacher Dinge und Situationen aufdecken. Die Fruchtbarkeit des gewählten Blickes zwischen Alltag und Dramatik stellt sie in immer neuen Gedichtsammlungen unter Beweis.


Tadeusz Nowak (1930-1991), studierte Polonistik und debütierte bereits 1948 mit Gedichten in literarischen Zeitschriften. 1953 erschien sein erster Gedichtband (Ich lerne sprechen), 1962 die erste Sammlung von Prosaarbeiten. 1969 erschien der Roman Und wenn du König, und wenn du Henker bist, in dem er eine zauberhafte Welt der dörflichen Mythen zeichnet. Als Theaterstück überarbeitet, wurde es in der DDR unter der Regie von Wolfgang Heiderich am Theater Stralsund anlässlich der „Tage der polnischen Theaterkunst“ erstaufgeführt (Quelle: Verlag Theater der Zeit). Nowak steht für die Generation, die im Zuge der Nachkriegsindustrialisierung vom Land in die Stadt zog. Dieses biographische Motiv verarbeitete er vor allem in seinen Psalmen.


Die AutoREN aus SAchsen-Anhalt

WILHELM BARTSCH

Geboren 1950 in Eberswalde, lebt in Halle und Rohna. Nach Studium in Leipzig diverse Tätigkeiten, seit 1986 freier Autor. Für sein Werk (zuletzt: „Mitteldeutsche Gedichte“), wurde er vielfach, zuletzt mit dem Wilhelm-Müller-Preis 2007, geehrt. Mitglied des P.E.N.

 

 

 

 

 

 

The Lucky Summer In The Stalinallee, Wilhelm Bartsch

 

In einer Strandbar bei den Wanderdünen,

die man, mal so, mal so, hier durchgehn sah

bin ich mir selbst durchs Vodka-Glas erschienen:

Aus Ulbrichts Kinderkaufhaus trat ich da

im Glanz von durchfallbraunen Popelinen.

 

Vom Weberwiesenhochhaus grauer Träume

nahm ich im „Weaver’s Meadow“ noch den Rest,

ließ Winde gehn wie Agnes-Miegel-Reime

und gab im Liegestuhl da noch ein Fest

für jener Wolke Nur-Minuten-Schäume.

 

Auch Endler’s Sand-Korn sollte man dann reichen,

den guten Tropfen ins Getriebe tun

dem sirren Sand, der hingeht über Leichen,

wie Durchhörfunk von eigener Dünung duhn.

 

Auf stieg ich, sah mich unten selbst erbleichen.

 

 


JÜRGEN JANKOFSKY

 

Geboren 1953 in Merseburg, lebt in Leuna. Studium Chemie und am Literaturinstitut in Leipzig. Ausbildung zum und Tätigkeit als Musiker, seit 2000 Geschäftsführer des Friedrich-Bödecker-Kreises in Sachsen-Anhalt. Mehr als 30 Bücher, mehr als 50 Herausgaben, Mitglied des P.E.N., Walter-Bauer-Preis 1996.

 

 

 

Mulisch schreibt, Jürgen Jankofsky

 

 

Da schließlich alles unsinnig ist, das ganze Leben und die ganze Welt, macht nur noch das Unsinnige einen gewissen Sinn. Und ich erkenne seine Konstruktion, doch auch (möglicherweise, da ich seit einiger Zeit auf der Suche, nach solch einem Satz, solch einer Bestätigung war und dies selbst nicht zu formulieren vermochte, nicht zu formulieren wagte), dass ich wohl nicht der Autor meines Lebens bin, eher noch eine Figur, die eben das artikuliert, um alltägliches Handeln, um ihre Existenz schlechthin zu rechtfertigen, irgendein Jemand, der nur Sinn in einem Roman macht, bestenfalls. Wenn alles absurd ist, so ist innerhalb dieses Absurden ausschließlich das Absurde nicht absurd. (ebd.)

 

Hier 2008, Jürgen Jankofsky

 

Und dann

wird, was wir weit

entfernt wähnten, unseren Alltag

verkarstet haben.

Und dann

werden wir gehofft haben, dass

alles nicht noch schlimmer wird.

Und dann

werden wir uns nicht

mehr erinnern können,

 

was heute war.


DIANA KOKOT

Geboren 1955 in Salzwedel, lebt in Osterburg. Nach Zeitungstätigkeit Studium der Journalistik in Leipzig, seither als Journalistin, Redakteurin, Leiterin einer Schreibwerkstatt tätig. Lyrik und Prosa, z. B. der Gedichtband „An einem Sonntag ohne Zifferblatt“, 2003.

 

 

 

 

Mit Lärm empfängt mich die Stadt, Diana Kokot

 

Mit Lärm empfängt mich die Stadt

im Regen. Deine Stimme

vertraut zwischen fremden Möbeln.

Die Teller erkenne ich wieder. Zögernd

schiebst du das Brot über den Tisch.

Wir können nicht da weitermachen

wo wir aufgehört haben

sagst du. Ich greife das Messer

und ahne das letzte Wort

 

ist noch nicht gesprochen.

 

 


RALF MEYER

Geboren 1970 in Lutherstadt Eisleben, lebt in Halle. Studium diverser Geisteswissenschaften, Tätigkeit als Dramaturg und Regisseur an halleschen Theatern sowie als Dozent an einer Schauspielschule. Für sein Stück „Die Schöne und das Biest“ wurde er mehrfach geehrt. Zuletzt erschien der Gedichtband „Wiederstedter Elegien“. Mitglied des P.E.N.

 

Ehelied, Ralf Meyer

 

Auf den Lippen lag ein Staunen,

Ruhte lange darauf aus.

Wir vertrieben Amors Launen,

Trug ich dich zum Gartenhaus.

 

Wenn die Tage nicht erquicken,

Können wir davon erzählen,

Wie wir, Götter fortzuschicken,

Immer nur einander wählen.

 

Kommen wir aus Blumenbeeten,

Hörn wir Silberglöckchen schellen.

Amor spannte ungebeten

 

Klingeldraht vor unsre Schwellen.

 

 


RENATE SATTLER

 

Geboren 1961 in Magdeburg, lebt dort. Nach Berufsausbildung Kulturwissenschafts-Studium, Tätigkeit im kultur- und entwicklungspolitischen Bereich. Beschäftigung mit den nativen Völkern Amerikas. Gedichtband „Zwischen entwurzelten Steinen“, 2007.

 

 

 

 

 

 

 

Winterspaziergang, Renate Sattler

 

Ich mag den verwilderten Weg,

der Dornenzweig greift mich an,

ich kehre nicht um,

gehe am Bach entlang,

der zwischen Ziegeln fließt.

 

Meine Gedanken ziehen ihren Kreis:

Großmutters Brosche,

Stuhl und Bett sind in Gefahr,

wenn ich nicht zahlen kann.

 

Der Boden unter mir ist nicht mehr sicher,

der Bach verschwindet unter Beton

 

und der Abendstern stürzt mir vor die Füße.


ANDRÉ SCHINKEL

 

Geboren 1972 in Eilenburg, lebt in Halle. Nach Berufsausbildung in der Landwirtschaft Studium Germanistik und Archäologie. Freier Autor, fünfzehn Bücher, zuletzt: „Apfel und Szepter“. Mitglied des P.E.N. Für seine Arbeit wurde er wiederholt mit Preisen und Stipendien geehrt, zuletzt mit einem Wiepersdorf-Stipendium (2009). 

 

 

Epitaph in erloschener Landschaft, André Schinkel

 

Es schlachtet dich, es reißt verrotzt der Terror

Das Land und dich mit sich hindurch;

Es blakt dein Herz, die goldne Sperrung,

Der All-Verschluß, der Lebenswurf.

Du wehrst dich nicht, du bist schon eingeschüchtert,

Die graue Wut faucht auf dich hin –

Den Weltumlauf nimmst du: verschlechtert,

Und bittest nur um: Weg, um: Sinn.

 

Du läßt dein Hab, du läßt dein Nahes, Gutes,

Und läßt dich, ratlos, einbeziehn –

Und stehst dann dort, bezwungnen Mutes

Und wähnst dich in der Trauer kühn.

Die Schlägerbanden halten sich noch gütlich

An dir, wenn du in Bändern stehst;

Der Oberschlächter schabt, gemütlich,

Die Stiefel blank und summt verwest.

 

Die Landschaft steht, erloschen, redlich,

Das Gras wächst an den Steinen feist;

Du bist, so sagt man, wägbar schädlich

Und wirst von Ängsten wirr umkreist.

Das trägst du: Mondstern, Kreuz und Kappe,

Du bist, der schweigt, im Brüllverein;

Du gehst hindurch, es fällt die weiße Klappe:

 

Das ist dein Haus. Dort sollst du sein. –


Mitwirkende

 

Prof. Dr. Stanisław Balbus – literaturwissenschaftliche Beratung, Uniwersytet Jagielloński, Kraków

Mieczysława Buczkówna-Jastrun – Ideengeberin

Jürgen Jankofsky – Geschäftsführer des Friedrich-Böderker-Kreises in Sachsen-Anhalt e. V., Schriftsteller

Sabin Kluszczyński – Multimedia

Mirosław Markiewicz – Koautor, Konsultation, Ton- und Lichteffekte

Zofia Nowak – literaturhistorische Beratung

Jarosław Strzała – Leitungsassistenz, Tastinstrumente, Violine, Akkordeon, Saxophon

Jacek Telus – künstlerische Leitung, Projektautor, Musik, Gesang, Gitarren, Flöte, Mundharmonika

Dr. phil. Magdalena Telus – literaturwissenschaftliche Begleitung, Translation, Universität des Saarlandes, Saarbrücken

 

 



Übersetzungen von Gedichten:

Freitag, 21. Juli 2017

Magdalena Telus, ehemals Leiterin des Polnisch-Lektorats der Saar-Uni und ihre Meinung zu Städtepartnerschaften: Europa braucht internationale Begegnungen

Saarbrücker Zeitung

Familie Telus-Meiser ist von Europa überzeugt. Sie würden auch eine Städtepartnerschaft nach Polen begrüßen und unterstützen.

St. Ingbert. 152 Personen mit polnischer Staatsangehörigkeit leben derzeit in St. Ingbert. Eine davon ist Magdalena Telus. Sie wohnt gemeinsam mit ihrem Mann Andreas Meiser in Rohrbach. Das Ehepaar hat die frühere Rohrbacher Mühle gekauft (wir berichteten). Mittlerweile passiert dort so einiges. Denn die Familie Telus-Meiser hat sich europäisch bestens vernetzt.

Bei einem Besuch in unserer Redaktion, berichtet Magda Telus, was sie umtreibt: „Wir erleben heute, wie sich Polen abschottet. Europapolitik wird über Bord geworfen, die gegenwärtige polnische Regierung denkt in nationalstaatlichen Dimensionen.“ Magdalena Telus ist jedoch eine, die anpackt, die die deutsch-polnische Zusammenarbeit voran treibt. Sie schaut nach Westen und sagt: „Das Saarland hat sich einer Frankreichstrategie verpflichtet. Betrachten wir uns das Zentrum Europas – wir haben, wie schon im Weimarer Dreieck wahrzunehmen, eine Linie von Frankreich über Deutschland nach Polen – eine kulturell wie wirtschaftlich  interessante europäische Achse.“ Die Chancen, die diese Konstellation bietet, sollte man laut Telus, die Polonistik, Slawistik und Germanistik studiert hat, nutzen. „Wir alle – die Menschen in Frankreich, in Deutschland, in Polen – das Saarland als europäische Kernregion, sollte seine Position als Vordenker begreifen und mit Leben füllen.“

Sie betont, wie wichtig Städtepartnerschaften seien. „Am wichtigsten ist das gemeinsame Treffen, zusammen zu wohnen, zu essen, sich auszutauschen. Wie bei Schulpartnerschaften auch.“ So überwinde man am besten die Sprachbarriere. Auch für Europa sei eine Städtepartnerschaft wichtig. „Es geht um internationale Begegnungen. Man fährt von der einen europäischen Stadt in die andere.“ Noch habe St. Ingbert keine Partnerstadt in Polen. „Aber vielleicht klappt das ja mal. Das wäre schön. Beginnen könnte man mit einer Schulpartnerschaft.“ Ein Anfang sei doch gemacht. Der Saarpfalz-Kreis habe eine Partnerschaft ins polnische Przemyœl.

Für Magdalena Telus steht fest: „Ich würde eine Städtepartnerschaft zwischen St. Ingbert und einer polnischen Stadt in jeder Hinsicht unterstützen – wissenschaftlich wie sprachlich.“ Telus würde auch bereit stehen, wenn es darum ginge, Informationen über polnische Kommunen zu beschaffen, die für St. Ingbert als Städtepartnerschaft in Frage kämen. Auch vorbereitende Workshops seien denkbar. „Wenn das Land und vor allem die Sprache nicht mehr fremd sind, wird auch die Distanz kleiner.“ In dem Zusammenhang betont sie, dass sich Interkulturalität nicht von allein einstelle und dass Polenarbeit Europaarbeit sei.Telus, die sagt, dass man mehrere Heimaten haben kann, ist promovierte Lehrbeauftragte an der Universität des Saarlandes, gehört auch zu den Aktivisten von „Pulse of Europe“, einer unabhängigen europaweiten Bürgerinitiative, die den europäischen Gedanken unter die Menschen bringen will. „Wir befinden uns in einer historischen Zeit. Wir haben die Aufgabe, Europa zu erhalten und zu gestalten.“

Ihr Bezug zu St. Ingbert ist durch ihre Schwiegermutter entstanden, eine St. Ingberterin, die in Illingen lebt. Teile der Familie ihres Mannes leben allerdings noch in St. Ingbert, in der Stadt, die Magdalena Telus als Stadt der Dichter und Maler bezeichnet. „St. Ingbert ist ein Kunstfleckchen im Saarland“, sagt die 1963 in Breslau Geborene, die vor 30 Jahren zum Studium nach Deutschland gekommen ist.

Quelle: Saarbrücker Zeitung